Die aktuelle Zinspolitik der Europäischen Zentralbank könnte gegen die Inflation helfen, für viele Hauskäufer aber bedrohlich werden. Experten warnen vor platzenden Krediten.
Wer in den vergangenen Jahren eine Immobilie gekauft hat, konnte dafür historisch tiefe Zinsen abgreifen. Immobilienkredite, bei denen Zinssätze von weniger als einem Prozent über 10 oder mehr Jahre festgeschrieben wurden, waren keine Seltenheit. Heute liegt der durchschnittliche Zinssatz bereits bei 3,7 Prozent.
Ab Juli wird er nochmal ansteigen. Die Europäische Zentralbank (EZB) erhöht den Leitzins um 0,25 Prozent. Im September soll eine weitere Erhöhung, möglicherweise um weitere 0,5 Prozent, folgen. Damit erhöhen sich für Banken die Kosten, um sich Geld von der Zentralbank zu leihen. Steigen die Kosten, geben Banken dies in der Regel durch höhere Kreditzinsen an ihre Kunden weiter.
Monatliche Raten können sich verdoppeln!
Wer über eine alte Immobilienfinanzierung verfügt, ist davon nicht betroffen. Hierfür gibt es oftmals eine 10-jährige Zinsbindung, in der die Zinsen für Ihren Kredit gleich bleiben. Doch diese Zeit reicht in der Regel nicht aus, um einen Immobilienkredit trotz Sondertilgungen komplett abzubezahlen. Also ist eine Anschlussfinanzierung notwendig – dies wird mit steigenden Zinsen deutlich teurer.
Hauskäufer werden finanziell schnell überfordert
Experten rechnen mit vielen Zwangsversteigerungen und weisen daraufhin, dass die steigenden Zinsen keine Phase sein werden, sondern dauerhaft ein höheres Niveau als aktuell aufweisen werden. Null- und Negativzinsen sind Geschichte.
Dies macht es es für junge Menschen schwer ein Eigenheim zu erwerben, denn mit den Zinsen steigen auch die Gesamtkosten eines Hauskaufs. Möglich ist, dass die Hauspreise entsprechend weniger stark steigen, so dass sich die Gesamtkosten in Zukunft nicht schneller erhöhen als zuvor. Die Postbank rechnet im Wohnatlas 2022 zum Beispiel mit durchschnittlich sinkenden Immobilienpreisen in Deutschland. Ausnahmen könnten Berlin, München, Hamburg und Frankfurt sein.
Was kann ich tun?
Die schwerwiegenden Folgen betreffen vor Allem aber eben jene, die jetzt schon einen Immobilienkredit abbezahlen und deren Zinsbindung bald ausläuft. Sie müssen zwangsläufig einen Anschlusskredit abschließen und mit höheren Zinsen nachfinanzieren. Um der Zwangsversteigerung auszuweichen , damit die Immobilie nicht verloren geht, gibt es nur zwei Möglichkeiten:
Beim Anschlusskredit die höheren Kreditzinsen mit niedrigeren Tilgungsraten ausgleichen –
Der Vorteil: Die Monatsraten bleiben auf einem akzeptablen Niveau.
Der Nachteil: Es dauert länger, bis die Immobilie abbezahlt ist und die Gesamtkosten durch die höheren Zinszahlungen steigen stark.
Die andere Möglichkeit ist ein Forward-Darlehen. Dies ermöglicht schon mehrere Jahre vor Ablauf der Zinsbindung einen Anschlusskredit abschließen, welcher im Moment des Zinsbindungs-Endes aktiviert wird. Hierfür müssen der Darlehensnehmer meist höhere Zinsen bezahlen als die aktuell geltenden. Diese könnten aber unter dem Niveau liegen, was am Ende der Zinsbindung gilt, sollte die EZB die Leitzinsen systematisch weiter erhöhen. Bei einem Forward-Darlehen spekuliert man auf die Entwicklung der Zinsen.